Von der ständischen Verfassung zum strengkirchlichen Aufbruch: Joseph von Giovanelli als Vertreter einer katholischen Elite

Das 19. Jahrhundert als ";;;zweites konfessionelles Zeitalter";;; gründet in vieler Hinsicht auf den Umbrüchen, die Europa in der sog. Sattelzeit zwischen 1790-1815 erlebte. Die katholische Kirche wurde von dieser Transitionsperiode besonders herausgefordert: 1803 verlor sie in Mitteleurop...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Florian Huber
Format: Article
Language:deu
Published: IUP 2009-03-01
Series:Historia.scribere
Subjects:
Online Access:https://webapp.uibk.ac.at/ojs2/index.php/historia_scribere/article/view/2360
Description
Summary:Das 19. Jahrhundert als ";;;zweites konfessionelles Zeitalter";;; gründet in vieler Hinsicht auf den Umbrüchen, die Europa in der sog. Sattelzeit zwischen 1790-1815 erlebte. Die katholische Kirche wurde von dieser Transitionsperiode besonders herausgefordert: 1803 verlor sie in Mitteleuropa ihre weltliche Macht und damit ihre finanzielle und strukturelle Unabhängigkeit, ";;;moderne";;; Ideologeme griffen ihre Deutungshoheit an. Damit wurden jedoch gleichzeitig die Grundlagen für das erfolgreiche ";;;Comeback";;; des Katholizismus gegen Mitte des Jahrhunderts gelegt: Die Katholische Kirche orientierte sich nach 1815 zunehmend nach Rom, wurde uniformer, straffer, ultramontaner. Kurzum: Sie kompensierte den Verlust der weltlichen mit der Ausbildung einer ";;;geistigen Herrschaft";;;, die in Tirol spätestens 1848 wirkmächtig ihre Mobilisierungsfähigkeit demonstrierte. Wer waren die Akteure, die Agenten dieser katholischen Renaissance, welche Entwicklungsmuster liegen ihr zugrunde, welche Rolle spielten Laien? Das Fallbeispiel Josef von Giovanellis ermöglicht eine Annäherung an diese Fragestellungen. Als Vertreter einer in ständischen Gesellschaftskonzeptionen verankerten Elite, die - wie die katholische Kirche - von den Umbrüchen um 1800 tiefgreifend erschüttert und in ihrer Funktion als Elite delegitimiert wurde, entwickelte er nach 1816 einen missionarischen, auf die Rekatholisierung Tirols abzielenden Drang. Als Politiker, Publizist und Verwalter eines sorgsam aufgebauten Personennetzwerkes lieferte Giovanelli - als Laie für die josephinische Restriktionen nicht greifbar - wesentliche Impulse für die Etablierung eines rigorosen Katholizismus. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass Giovanellis Übergang von einer ständischen zu einer katholischen Elite ein sehr sanfter war, vor allem das Feindbild der Revolution, der staatlichen Zentralisierung sowie eine prinzipielle Abneigung gegen den „modernen Zeitgeist“ waren die Konstanten in Giovanellis ideologischem Haushalt.
ISSN:2073-8927
2073-8927