Beitrag frontaler und parietaler Hirnregionen zu semantischen und phonologischen Entscheidungen im gesunden Gehirn: Eine Studie mit transkranieller Magnetstimulation

Sprache stellt unsere elementare Fähigkeit zur Kommunikation dar. Durch sie wird die Assoziation von Lauten und Symbolen mit Bedeutungen möglich. Um Sprache jedoch praktisch nutzen zu können, müssen im Gedächtnis sensorische Information mit motorischen Systemen verknüpft werden (Price, 2000). In der...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Weigel, Anni
Other Authors: Universität Leipzig
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: 2016
Subjects:
Online Access:http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-168587
https://ul.qucosa.de/id/qucosa%3A16858
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Phonologie
Semantik
transkranielle Magnetstimulation
Gyrus frontalis
parietaler Kortex
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Weigel, Anni
Beitrag frontaler und parietaler Hirnregionen zu semantischen und phonologischen Entscheidungen im gesunden Gehirn: Eine Studie mit transkranieller Magnetstimulation
description Sprache stellt unsere elementare Fähigkeit zur Kommunikation dar. Durch sie wird die Assoziation von Lauten und Symbolen mit Bedeutungen möglich. Um Sprache jedoch praktisch nutzen zu können, müssen im Gedächtnis sensorische Information mit motorischen Systemen verknüpft werden (Price, 2000). In der vorliegenden Untersuchung wurden zwei für das Sprachverständnis wichtige linguistische Komponenten, die phonologische und semantische Verarbeitung, unterschieden (Poldrack et al., 1999). Die Semantik beschäftigt sich mit der Bedeutungsanalyse, die Phonologie dagegen mit der Lautanalyse. Die Geschichte der modernen Sprachforschung begann im 19. Jahrhundert. Bedeutende erste Erkenntnisse stammen dabei von Wernicke (1874) und Broca (1861). Anhand ihrer Untersuchungen klinischer Läsionen konnte dem ‚Broca-Areal’ im linken IFG eine wichtige Funktion in der Sprachproduktion und dem ‚Wernicke-Areal’ im linken posterioren Gyrus temporalis superior eine wichtige Funktion für das Sprachverständnis zugeschrieben werden. Diese Erkenntnisse wurden durch Lichtheim (1885) im ersten klassischen Sprachmodell zusammengefasst. Anhand neuer Forschungen konnten in den letzten Jahren detailliertere und komplexere Modelle zum Sprachverständnis und zur Sprachproduktion entwickelt werden (z.B. Hickok & Poeppel, 2004), die darauf hinweisen, dass das klassische Broca-Wernicke-Lichtheim Modell zu einfach dargestellt ist (Dronkers et al., 2004; Graves, 1997; Shalom & Poeppel, 2008). Aktuelle Studien zu neurobiologischen Korrelaten für das Verständnis von Sprache basieren zum Teil auf modernen bildgebenden Verfahren wie fMRT und PET, welche die Möglichkeit bieten, ein spezifisches Verhalten mit kortikaler Aktivität zu assoziieren. Zudem boten neue Techniken das Privileg, nicht mehr nur Studien an Patienten mit klinischen Läsionen durchführen zu können, sondern nun auch physiologische Korrelate an gesunden Probanden zu untersuchen (Bookheimer, 2002; Devlin et al., 2002; Zatorre et al., 1996). Dies brachte die Chance hervor, unabhängig von Reorganisationsprozessen klar abgrenzbare Hirnareale, ihre Funktionen und Interaktionen genauer zu untersuchen und damit das bisherige Verständnis der kortikalen Sprachverarbeitung immens zu erweitern (Price, 2000). Eine weitere technische Neuerung wurde 1985 mit der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) vorgestellt. Die TMS ist eine einfache, schmerzlose, nichtinvasive Alternative zur elektrischen Stimulation des Gehirns. Über ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld in einer Spule wird ein Stromfluss im unterliegenden Gewebe induziert und die kortikale Funktion beeinflusst (Barker et al., 1985). Obwohl diese Technik zunächst vorrangig zur Erforschung motorischer Funktionen genutzt wurde, kann sie heute vor allem auch in Kombination mit der funktionellen Bildgebung und als nicht-invasive Möglichkeit dienen um die Relevanz eines spezifischen Areals für die Durchführung bestimmter (Sprach-)Aufgaben aufzuzeigen (Devlin & Watkins, 2008; Hartwigsen et al., 2010b; Sparing et al., 2001; Tarapore et al., 2013). In der vorliegenden TMS-Studie wurden vier Sprachareale auf ihre Relevanz für die beiden linguistischen Komponenten Phonologie und Semantik untersucht. Dabei wird nicht nur auf die Funktion der einzelnen Regionen für die Bearbeitung phonologischer und semantischer Aufgaben fokussiert, sondern zudem in Zusammenschau mit der Vorstudie (Hartwigsen et al., 2016) die Existenz zweier relevanter Netzwerke postuliert. In Analogie zum visuellen System gingen bereits Hickok & Poeppel (2004) von einem fronto-temporo-parietalen dualen Bahnsystem aus, welches sich in einen dorsalen (sensorisch-motorischen) und einen ventralen (sensorisch-konzeptuellen) Strom gliedern lässt. Die phonologische Sprachverarbeitung wird dabei vom dorsalen Strom verkörpert und der ventrale Strom scheint für die semantischen Bezüge verantwortlich zu sein (Saur et al., 2008). Da vorherige Studien bereits Aktivierungen sowohl im aIFG (Dapretto & Bookheimer, 1999; Gough et al., 2005; Poldrack et al., 1999; Wagner et al., 2000) als auch im ANG (Binder et al., 2009; Mechelli et al., 2007; C J Price, 2000) bei semantischen Aufgabenstellungen aufzeigen konnten und der Beleg für eine Relevanz des pIFG (Martha W Burton et al., 2005; Devlin & Watkins, 2007; Hartwigsen, Price, et al., 2010; Paulesu et al., 1993) und SMG (Hartwigsen et al., 2010a; Sliwinska et al., 2012; Stoeckel et al., 2009; Zatorre et al., 1996) bei phonologischen Analysen gebracht wurde, war das Ziel der vorliegenden Studie, das Vorhandensein zweier Netzwerke aufzuzeigen und die funktionelle Integrität sowie Zusammenarbeit oder Kompensationsmechanismen der Regionen untereinander darzustellen. Die Grundlage für die Untersuchungen bot die Vorstudie von Hartwigsen et al. (2016). Mit Hilfe einer konditionierenden offline Stimulation in Kombination mit akuter online Interferenz wurden hierbei jeweils ein parietales Areal (SMG oder ANG) und ein frontales Areal (aIFG oder pIFG) gleichzeitig in ihrer Funktion beeinträchtigt. Die Ergebnisse belegten allgemein die Hypothesen anderer Autoren, einer semantischen Verarbeitung in den beiden Arealen ANG und aIFG sowie einer Beteiligung von pIFG und SMG an der Lösung phonologischer Aufgaben. Aus der kombinierten Stimulation eines für eine Aufgabe spezifischen Areals mit einem der jeweiligen anderen Aufgabe zugeordneten Kontrollareal (pIFG und ANG, aIFG und SMG) konnten zudem Vermutungen auch über die funktionelle Relevanz der einzelnen Regionen angestellt werden. Die Ergebnisse führten zu den Hypothesen, dass kortikale parieto-frontale Netzwerke für die Verarbeitung semantischer und phonologischer Aufgaben existieren, die Relevanz der Einzelregionen für die Einordnung in semantische und phonologische Kriterien jedoch unterschiedlich ist. Somit bestätigte sich, dass eine multifokale TMS der beiden Areale aIFG und ANG zu einer signifikant verlängerten mittleren Reaktionszeit für die semantische im Vergleich zur phonologischen Aufgabe führt, eine unifokale TMS eines der beiden Areale in Verbindung mit Stimulation eines phonologischen Kontrollareals jedoch keine Beeinträchtigung hervorruft. Die funktionelle Integrität eines der beiden Areale ist somit vermutlich von der funktionellen Integrität des anderen abhängig und bei einer Läsion eines semantischen Areals im Netzwerk erfolgt eine Kompensation durch das jeweils andere. Diese Kompensation ermöglicht es, eine weiterhin korrekte und nicht verlangsamte semantische Entscheidung vornehmen zu können. Andererseits ergaben die Untersuchungen der phonologischen Areale, dass sowohl eine multifokale Stimulation als auch die unifokale Stimulation von pIFG und SMG zu signifikant längeren Reaktionszeiten phonologischer Entscheidungen führten. Dies lässt die Hypothese zu, dass die beiden Areale gemeinsam einen entscheidenden aber unterschiedlichen Beitrag für die Phonologie liefern und beide Regionen wichtig für die Durchführung phonologischer Aufgaben sind. Da in der Vorstudie nicht ausgeschlossen werden konnte, dass auch die aktive Stimulation der gewählten Kontrollareale einen Einfluss auf die Reaktionszeiten und Fehlerraten gehabt haben könnte, wurde in der vorliegenden Untersuchung die jeweilige aktive Stimulation eines Kontrollareals in jeder Sitzung durch eine Placebo-Stimulation ersetzt. Die experimentellen Bedingungen wurden ansonsten möglichst genau an die Vorstudie angepasst. Dies ermöglichte es, jedes Areal einzeln und unabhängig von den Funktionen anderer kortikaler Regionen zu testen. Die 17 hier untersuchten gesunden Probanden mussten in vier Sitzungen mit jeweils einer effektiven Stimulation und einer Placebo-Stimulation insgesamt 60 Wörter nach ihrer Silbenzahl (2 oder 3 Silben) und 60 Wörter anhand ihrer Herkunft (vom Menschen gefertigt/natürlich) einordnen. Alle Probanden erhielten in jeder Sitzung genau über einem der vier Areale eine effektive Stimulation. Die Ergebnisse konnten nun validierte Kenntnisse zur Relevanz der einzelnen Regionen und – gemeinsam mit den Erkenntnissen der Vorstudie - zur gemeinsamen Verarbeitung im phonologischen und semantischen Netzwerk liefern. Insgesamt bestätigten die Resultate der vorliegenden Studie die Hypothesen der Vorstudie. Es wird somit von einem semantischen Netzwerk ausgegangen, in welchem der aIFG und der ANG einen entscheidenden Beitrag leisten. Beide Regionen wirken demnach maßgeblich aber wahrscheinlich auch in ihren spezifischen Aufgaben überschneidend, an der semantischen Verarbeitung mit. Eine Läsion eines der beiden Areale genügt jedoch nicht, um die Prozessierung semantischer Inhalte signifikant zu stören. Dies bestätigt die Hypothese eines Kompensationsmechanismus innerhalb des parieto-frontalen semantischen Netzwerks. Der ANG scheint einerseits für die Integration in den Kontext und den Abruf gespeicherter semantischer Informationen zuständig zu sein (Binder et al., 2009; Geschwind, 1965), aber auch der aIFG hat Aufgaben in der semantischen Wortanalyse (Price, 2010) und verarbeitet vermutlich die Informationen zu den Verhältnissen von Wörtern zueinander (Bookheimer, 2002). Das phonologische Netzwerk hingegen scheint anfälliger für eine Störung durch eine virtuelle Läsion zu sein. Hier zeigten sich signifikante Beeinträchtigungen der Reaktionszeiten sowohl nach unifokalen Stimulationen der vorliegenden Studie als auch nach den multifokalen Stimulationen der Vorstudie. Die Reaktionszeiten waren im Vergleich zur semantischen Aufgabe signifikant verlängert. Dies schließt also Kompensationsmöglichkeiten von Läsionen der Regionen untereinander aus. Vielmehr sprechen die Ergebnisse für die Relevanz jedes einzelnen der beiden Areale pIFG und SMG für die korrekte und effektive Bearbeitung phonologischer Entscheidungen. Es wäre zudem möglich, dass sich eine Stimulation eines Areals über die im Vergleich zur Semantik eher kürzeren strukturellen Verbindungen (vgl. Klein et al., 2013) rasch ausbreitet und so in kurzer Zeit auch eine Störung des anderen Areals, also eine „Doppelläsion“ bewirkt. Vorherige Studien postulierten, dass der SMG eher der Speicherung von Wörtern im Arbeitsgedächtnis dient (Becker et al., 1999; Vigneau et al., 2006), wohingegen dem pIFG eher eine Rolle in der eigentlichen phonologischen Beurteilung und dem ‚Rehearsal’ (inneres Sprechen) zugeordnet wird (Romero et al., 2006). Diese beiden Prozesse stellen zwei gut differenzierte Aufgabenbereiche dar, durch welche nur bei Funktionsfähigkeit beider gemeinsam eine phonologische Entscheidung adäquat vorgenommen werden kann. Zusammenfassend belegen die Ergebnisse beider Studien, dass das semantische Netzwerk, welches insgesamt über weiter ausgebreitete kortikale Verbindungen verknüpft ist als das phonologische Netzwerk, eine stärkere Widerstandsfähigkeit gegenüber unifokalen Läsionen bietet. Semantische Entscheidungen benötigen daher nur ein intaktes Areal (aIFG oder ANG), wohingegen die Störung eines phonologischen Areals bereits zur Beeinträchtigung der phonologischen Aufgabenbearbeitung führt. Es obliegt weiteren Studien, die genauen Funktionen der Regionen im Netzwerk zu untersuchen, um spezifischere Erkenntnisse über die Verknüpfung sprachlicher Areale zu erlangen und Symptome klinischer Läsionen zukünftig noch besser verstehen zu können. Dies bietet die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien und könnte es in Zukunft ermöglichen, beispielsweise Aphasien nach Schlaganfällen oder in Folge von Hirntumoren besser verstehen und behandeln zu können.:1 Einleitung 1.1 Was ist Sprache? Zur Geschichte der Sprachforschung 1.2 Entwicklung der TMS in der Sprachforschung 1.3 Was bedeutet Phonologie? 1.4 Was ist Semantik? 1.5 Relevante Hirnregionen für Phonologie und Semantik 1.5.1 Einzelregionen 1.5.2 Netzwerke 1.6 Ziele der Arbeit und Aufgabenstellung 2 Material und Methoden 2.1 Transkranielle Magnetstimulation (TMS) 2.1.1 repetitive transkranielle Magnestimulation (rTMS) 2.2 Magnetresonanztomographie 2.3 stereotaktische Spulenpositionierung 2.4 Stimuli 2.5 Probanden 2.6 Ablauf 2.7 Hypothesen der Arbeit 2.8 experimentelles Design und statistische Datenauswertung 3 Ergebnisse 3.1 Reaktionszeiten 3.1.1 Phonologie 3.1.2 Semantik 3.2 Fehlerraten 3.3 Auswertung 3.3.1 Phonologie 3.3.2 Semantik 4 Diskussion 4.1 Phonologie 4.1.1 Beitrag des SMG und pIFG zu phonologischen Entscheidungen 4.1.2 TMS-Läsionsausbreitung im phonologischen Netzwerk 4.2 Semantik 4.2.1 gegenseitige Beeinflussung des aIFG und ANG bei der Bearbeitung der semantischen Aufgabe 4.2.2 spezifische Bedeutung des aIFG und ANG für die Semantik 4.2.3 semantisches Netzwerk 4.3 Ausblick 4.3.1 therapeutischer Nutzen 4.3.2 offene Fragen und weitere Forschungsgrundlagen 5 Zusammenfassung 6 Literaturverzeichnis 7 Anlagenverzeichnis 8 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 9 Publikation 10 Danksagung
author2 Universität Leipzig
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Weigel, Anni
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Bedeutende erste Erkenntnisse stammen dabei von Wernicke (1874) und Broca (1861). Anhand ihrer Untersuchungen klinischer Läsionen konnte dem ‚Broca-Areal’ im linken IFG eine wichtige Funktion in der Sprachproduktion und dem ‚Wernicke-Areal’ im linken posterioren Gyrus temporalis superior eine wichtige Funktion für das Sprachverständnis zugeschrieben werden. Diese Erkenntnisse wurden durch Lichtheim (1885) im ersten klassischen Sprachmodell zusammengefasst. Anhand neuer Forschungen konnten in den letzten Jahren detailliertere und komplexere Modelle zum Sprachverständnis und zur Sprachproduktion entwickelt werden (z.B. Hickok & Poeppel, 2004), die darauf hinweisen, dass das klassische Broca-Wernicke-Lichtheim Modell zu einfach dargestellt ist (Dronkers et al., 2004; Graves, 1997; Shalom & Poeppel, 2008). Aktuelle Studien zu neurobiologischen Korrelaten für das Verständnis von Sprache basieren zum Teil auf modernen bildgebenden Verfahren wie fMRT und PET, welche die Möglichkeit bieten, ein spezifisches Verhalten mit kortikaler Aktivität zu assoziieren. Zudem boten neue Techniken das Privileg, nicht mehr nur Studien an Patienten mit klinischen Läsionen durchführen zu können, sondern nun auch physiologische Korrelate an gesunden Probanden zu untersuchen (Bookheimer, 2002; Devlin et al., 2002; Zatorre et al., 1996). Dies brachte die Chance hervor, unabhängig von Reorganisationsprozessen klar abgrenzbare Hirnareale, ihre Funktionen und Interaktionen genauer zu untersuchen und damit das bisherige Verständnis der kortikalen Sprachverarbeitung immens zu erweitern (Price, 2000). Eine weitere technische Neuerung wurde 1985 mit der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) vorgestellt. Die TMS ist eine einfache, schmerzlose, nichtinvasive Alternative zur elektrischen Stimulation des Gehirns. Über ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld in einer Spule wird ein Stromfluss im unterliegenden Gewebe induziert und die kortikale Funktion beeinflusst (Barker et al., 1985). Obwohl diese Technik zunächst vorrangig zur Erforschung motorischer Funktionen genutzt wurde, kann sie heute vor allem auch in Kombination mit der funktionellen Bildgebung und als nicht-invasive Möglichkeit dienen um die Relevanz eines spezifischen Areals für die Durchführung bestimmter (Sprach-)Aufgaben aufzuzeigen (Devlin & Watkins, 2008; Hartwigsen et al., 2010b; Sparing et al., 2001; Tarapore et al., 2013). In der vorliegenden TMS-Studie wurden vier Sprachareale auf ihre Relevanz für die beiden linguistischen Komponenten Phonologie und Semantik untersucht. Dabei wird nicht nur auf die Funktion der einzelnen Regionen für die Bearbeitung phonologischer und semantischer Aufgaben fokussiert, sondern zudem in Zusammenschau mit der Vorstudie (Hartwigsen et al., 2016) die Existenz zweier relevanter Netzwerke postuliert. In Analogie zum visuellen System gingen bereits Hickok & Poeppel (2004) von einem fronto-temporo-parietalen dualen Bahnsystem aus, welches sich in einen dorsalen (sensorisch-motorischen) und einen ventralen (sensorisch-konzeptuellen) Strom gliedern lässt. Die phonologische Sprachverarbeitung wird dabei vom dorsalen Strom verkörpert und der ventrale Strom scheint für die semantischen Bezüge verantwortlich zu sein (Saur et al., 2008). Da vorherige Studien bereits Aktivierungen sowohl im aIFG (Dapretto & Bookheimer, 1999; Gough et al., 2005; Poldrack et al., 1999; Wagner et al., 2000) als auch im ANG (Binder et al., 2009; Mechelli et al., 2007; C J Price, 2000) bei semantischen Aufgabenstellungen aufzeigen konnten und der Beleg für eine Relevanz des pIFG (Martha W Burton et al., 2005; Devlin & Watkins, 2007; Hartwigsen, Price, et al., 2010; Paulesu et al., 1993) und SMG (Hartwigsen et al., 2010a; Sliwinska et al., 2012; Stoeckel et al., 2009; Zatorre et al., 1996) bei phonologischen Analysen gebracht wurde, war das Ziel der vorliegenden Studie, das Vorhandensein zweier Netzwerke aufzuzeigen und die funktionelle Integrität sowie Zusammenarbeit oder Kompensationsmechanismen der Regionen untereinander darzustellen. Die Grundlage für die Untersuchungen bot die Vorstudie von Hartwigsen et al. (2016). Mit Hilfe einer konditionierenden offline Stimulation in Kombination mit akuter online Interferenz wurden hierbei jeweils ein parietales Areal (SMG oder ANG) und ein frontales Areal (aIFG oder pIFG) gleichzeitig in ihrer Funktion beeinträchtigt. Die Ergebnisse belegten allgemein die Hypothesen anderer Autoren, einer semantischen Verarbeitung in den beiden Arealen ANG und aIFG sowie einer Beteiligung von pIFG und SMG an der Lösung phonologischer Aufgaben. Aus der kombinierten Stimulation eines für eine Aufgabe spezifischen Areals mit einem der jeweiligen anderen Aufgabe zugeordneten Kontrollareal (pIFG und ANG, aIFG und SMG) konnten zudem Vermutungen auch über die funktionelle Relevanz der einzelnen Regionen angestellt werden. Die Ergebnisse führten zu den Hypothesen, dass kortikale parieto-frontale Netzwerke für die Verarbeitung semantischer und phonologischer Aufgaben existieren, die Relevanz der Einzelregionen für die Einordnung in semantische und phonologische Kriterien jedoch unterschiedlich ist. Somit bestätigte sich, dass eine multifokale TMS der beiden Areale aIFG und ANG zu einer signifikant verlängerten mittleren Reaktionszeit für die semantische im Vergleich zur phonologischen Aufgabe führt, eine unifokale TMS eines der beiden Areale in Verbindung mit Stimulation eines phonologischen Kontrollareals jedoch keine Beeinträchtigung hervorruft. Die funktionelle Integrität eines der beiden Areale ist somit vermutlich von der funktionellen Integrität des anderen abhängig und bei einer Läsion eines semantischen Areals im Netzwerk erfolgt eine Kompensation durch das jeweils andere. Diese Kompensation ermöglicht es, eine weiterhin korrekte und nicht verlangsamte semantische Entscheidung vornehmen zu können. Andererseits ergaben die Untersuchungen der phonologischen Areale, dass sowohl eine multifokale Stimulation als auch die unifokale Stimulation von pIFG und SMG zu signifikant längeren Reaktionszeiten phonologischer Entscheidungen führten. Dies lässt die Hypothese zu, dass die beiden Areale gemeinsam einen entscheidenden aber unterschiedlichen Beitrag für die Phonologie liefern und beide Regionen wichtig für die Durchführung phonologischer Aufgaben sind. Da in der Vorstudie nicht ausgeschlossen werden konnte, dass auch die aktive Stimulation der gewählten Kontrollareale einen Einfluss auf die Reaktionszeiten und Fehlerraten gehabt haben könnte, wurde in der vorliegenden Untersuchung die jeweilige aktive Stimulation eines Kontrollareals in jeder Sitzung durch eine Placebo-Stimulation ersetzt. Die experimentellen Bedingungen wurden ansonsten möglichst genau an die Vorstudie angepasst. Dies ermöglichte es, jedes Areal einzeln und unabhängig von den Funktionen anderer kortikaler Regionen zu testen. Die 17 hier untersuchten gesunden Probanden mussten in vier Sitzungen mit jeweils einer effektiven Stimulation und einer Placebo-Stimulation insgesamt 60 Wörter nach ihrer Silbenzahl (2 oder 3 Silben) und 60 Wörter anhand ihrer Herkunft (vom Menschen gefertigt/natürlich) einordnen. Alle Probanden erhielten in jeder Sitzung genau über einem der vier Areale eine effektive Stimulation. Die Ergebnisse konnten nun validierte Kenntnisse zur Relevanz der einzelnen Regionen und – gemeinsam mit den Erkenntnissen der Vorstudie - zur gemeinsamen Verarbeitung im phonologischen und semantischen Netzwerk liefern. Insgesamt bestätigten die Resultate der vorliegenden Studie die Hypothesen der Vorstudie. Es wird somit von einem semantischen Netzwerk ausgegangen, in welchem der aIFG und der ANG einen entscheidenden Beitrag leisten. Beide Regionen wirken demnach maßgeblich aber wahrscheinlich auch in ihren spezifischen Aufgaben überschneidend, an der semantischen Verarbeitung mit. Eine Läsion eines der beiden Areale genügt jedoch nicht, um die Prozessierung semantischer Inhalte signifikant zu stören. Dies bestätigt die Hypothese eines Kompensationsmechanismus innerhalb des parieto-frontalen semantischen Netzwerks. Der ANG scheint einerseits für die Integration in den Kontext und den Abruf gespeicherter semantischer Informationen zuständig zu sein (Binder et al., 2009; Geschwind, 1965), aber auch der aIFG hat Aufgaben in der semantischen Wortanalyse (Price, 2010) und verarbeitet vermutlich die Informationen zu den Verhältnissen von Wörtern zueinander (Bookheimer, 2002). Das phonologische Netzwerk hingegen scheint anfälliger für eine Störung durch eine virtuelle Läsion zu sein. Hier zeigten sich signifikante Beeinträchtigungen der Reaktionszeiten sowohl nach unifokalen Stimulationen der vorliegenden Studie als auch nach den multifokalen Stimulationen der Vorstudie. Die Reaktionszeiten waren im Vergleich zur semantischen Aufgabe signifikant verlängert. Dies schließt also Kompensationsmöglichkeiten von Läsionen der Regionen untereinander aus. Vielmehr sprechen die Ergebnisse für die Relevanz jedes einzelnen der beiden Areale pIFG und SMG für die korrekte und effektive Bearbeitung phonologischer Entscheidungen. Es wäre zudem möglich, dass sich eine Stimulation eines Areals über die im Vergleich zur Semantik eher kürzeren strukturellen Verbindungen (vgl. Klein et al., 2013) rasch ausbreitet und so in kurzer Zeit auch eine Störung des anderen Areals, also eine „Doppelläsion“ bewirkt. Vorherige Studien postulierten, dass der SMG eher der Speicherung von Wörtern im Arbeitsgedächtnis dient (Becker et al., 1999; Vigneau et al., 2006), wohingegen dem pIFG eher eine Rolle in der eigentlichen phonologischen Beurteilung und dem ‚Rehearsal’ (inneres Sprechen) zugeordnet wird (Romero et al., 2006). Diese beiden Prozesse stellen zwei gut differenzierte Aufgabenbereiche dar, durch welche nur bei Funktionsfähigkeit beider gemeinsam eine phonologische Entscheidung adäquat vorgenommen werden kann. Zusammenfassend belegen die Ergebnisse beider Studien, dass das semantische Netzwerk, welches insgesamt über weiter ausgebreitete kortikale Verbindungen verknüpft ist als das phonologische Netzwerk, eine stärkere Widerstandsfähigkeit gegenüber unifokalen Läsionen bietet. Semantische Entscheidungen benötigen daher nur ein intaktes Areal (aIFG oder ANG), wohingegen die Störung eines phonologischen Areals bereits zur Beeinträchtigung der phonologischen Aufgabenbearbeitung führt. Es obliegt weiteren Studien, die genauen Funktionen der Regionen im Netzwerk zu untersuchen, um spezifischere Erkenntnisse über die Verknüpfung sprachlicher Areale zu erlangen und Symptome klinischer Läsionen zukünftig noch besser verstehen zu können. Dies bietet die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien und könnte es in Zukunft ermöglichen, beispielsweise Aphasien nach Schlaganfällen oder in Folge von Hirntumoren besser verstehen und behandeln zu können.:1 Einleitung 1.1 Was ist Sprache? Zur Geschichte der Sprachforschung 1.2 Entwicklung der TMS in der Sprachforschung 1.3 Was bedeutet Phonologie? 1.4 Was ist Semantik? 1.5 Relevante Hirnregionen für Phonologie und Semantik 1.5.1 Einzelregionen 1.5.2 Netzwerke 1.6 Ziele der Arbeit und Aufgabenstellung 2 Material und Methoden 2.1 Transkranielle Magnetstimulation (TMS) 2.1.1 repetitive transkranielle Magnestimulation (rTMS) 2.2 Magnetresonanztomographie 2.3 stereotaktische Spulenpositionierung 2.4 Stimuli 2.5 Probanden 2.6 Ablauf 2.7 Hypothesen der Arbeit 2.8 experimentelles Design und statistische Datenauswertung 3 Ergebnisse 3.1 Reaktionszeiten 3.1.1 Phonologie 3.1.2 Semantik 3.2 Fehlerraten 3.3 Auswertung 3.3.1 Phonologie 3.3.2 Semantik 4 Diskussion 4.1 Phonologie 4.1.1 Beitrag des SMG und pIFG zu phonologischen Entscheidungen 4.1.2 TMS-Läsionsausbreitung im phonologischen Netzwerk 4.2 Semantik 4.2.1 gegenseitige Beeinflussung des aIFG und ANG bei der Bearbeitung der semantischen Aufgabe 4.2.2 spezifische Bedeutung des aIFG und ANG für die Semantik 4.2.3 semantisches Netzwerk 4.3 Ausblick 4.3.1 therapeutischer Nutzen 4.3.2 offene Fragen und weitere Forschungsgrundlagen 5 Zusammenfassung 6 Literaturverzeichnis 7 Anlagenverzeichnis 8 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 9 Publikation 10 Danksagung Sprache Phonologie Semantik transkranielle Magnetstimulation Gyrus frontalis parietaler Kortex info:eu-repo/classification/ddc/610 ddc:610 Weigel, Anni Universität Leipzig 2016-12-08 2017-11-02 2017-12-05 info:eu-repo/semantics/openAccess doc-type:doctoralThesis info:eu-repo/semantics/doctoralThesis doc-type:Text https://ul.qucosa.de/id/qucosa%3A16858 https://ul.qucosa.de/api/qucosa%3A16858/attachment/ATT-0/